Wollsackverwitterung

Landschaftsfotos sowie Fotos aus Flora und Fauna, die keine Makrofotos sind, also einen Abbildungsmaßstab < 1:15 haben.
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Frank Ingermann
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Wollsackverwitterung

Beitragvon Frank Ingermann » 3. Sep 2019, 02:46

lange vor der Sphinx...entstand dieses "Bauwerk".

Hallo zusammen,

als dieses Bauwerk entstand, gab es (abgesehen von Erdkräften) noch keine Baumeister,
und damals sah es auch noch ganz anders aus:

Eine heiße Blase von Ur-Gestein stieg in der Erdkruste auf bis kurz vor die (damalige) Oberfläche und kühlte sich ab.
Darüber lagen (damals) dicke Schichten von Gestein, die inzwischen alle weg-erodiert sind. "Nur die HARTEN ..."

Seit dem ist eine Menge passiert:

- das heutige New York lag quasi "direkt" neben dem heutigen Agadir
- die Apalachen waren noch verbunden mit den heutigen Gebirgen im Norden Skandinaviens
- dazwischen tat sich erst ein kleiner Graben, dann später der gesamte Atlantik auf

Was auf dem Bild als "Motiv" zu sehen ist, sind die Reste eines "Plutons", der am Rand des "WAC"
(West-Afrikanischen Kratons) heute noch sichtbar ist. Alter: ca. 550 Millionen Jahre, also "prä-kambrisch"
("Vor dem [Erdzeitalter] "Kambrium" heißt im Wesentlichen: "Vor jeder uns bekannten Art von Leben").


Der Gebirgszug im HG (der "J'bel Kest") ist zwar auch Ur-alt, aber (relativ gesehen) viel jünger als das
in der Abendsonne leuchtende Granit-Zeugs im VG. (DAS ist RICHTIG alt!!)

(Die Telefonmasten im VG sind "anthropozän" = neuzeitlich, mussten hier nur als Größenskala herhalten).

Wollkissenverwitterung Wollsackverwitterung??

ja, so nennt man das, wenn aus großen, eckigen Granit-Brocken im Laufe der Zeit kleinere, runde werden.
- Ecken sind Angriffsflächen für Wind- und Wasser-Erosion
- ein Kreis hat weniger angreifbare Fläche als ein Quader
- mit genügend Druck bilden sich Risse und Spalten in Granit eher senkrecht oder waagerecht als "quer"

...so wird im Laufe der Zeit aus einem sehr großen, geborstenen Granit-Brocken eine Ansammlung
von aufeinander getürmten "Bröckchen"... die dann irgendwann aussehen wie "Wollkissen" (nur nicht so weich...)

lg, Frank

P.S.: ich weiß, Felsen haben keine Gesichter. Trotzdem sehe ich in dem hier immer "Jabba the hutt" :D

EDIT 04.09.2019: der häufiger verwendete Begriff ist wohl "Wollsackverwitterung" (oder auch "Matratzenverwitterung"), in Titel und Beitrag korrigiert
Dateianhänge
Kamera: Canon EOS 70D
Objektiv: 18-200mm @ 115mm
Belichtungszeit: 1/125s
Blende: f/9
ISO: 200
Beleuchtung: Abendsonne
Aufnahmedateiformat (RAW/JPG): RAW
Beschnittsbetrag in % (Breite u. Hoehe): ~20% (schwer zu schätzen, weil Pano aus zwei Einzelbildern)
Stativ: Sirui T-2204X / K-20X
Infos zu Multishot-Techniken (z.B. Stack, HDR, Stitch): 2-Bild-Pano
---------
Aufnahmedatum: 30.10.2014
Region/Ort: Anti-Atlas
vorgefundener Lebensraum: siehe Einleitungstext
Artenname: Pluton
NB ("K" wie "kontrollieren" kann man das nicht... ;) )
sonstiges: Pano aus zwei QF, TW in Lr, diesmal ganz ohne Ps (spricht für sich)
sphinx_praekambrium_tafraout.jpg (483.22 KiB) 466 mal betrachtet
sphinx_praekambrium_tafraout.jpg
Zuletzt geändert von Frank Ingermann am 4. Sep 2019, 18:39, insgesamt 2-mal geändert.
Die Tanzenden wurden für verrückt gehalten von denjenigen, die die Musik nicht hören konnten (F. Nietzsche)
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Wollkissenverwitterung

Beitragvon Harmonie » 3. Sep 2019, 10:35

Hallo Frank,

Danke für die interessanten Info's.
Man lernt nie aus......
Diesen "Hügel" hätte ich auch fotografiert.
Nicht wegen der von dir vermittelten Info's sondern, weil er
mich einfach anspricht und zudem die Fantasie anregt.
Wie du, sehe ich da auch was, nicht genau das, was du siehst -
obwohl, das ist etwas dran - ich sehe da eher leichte Ähnlichkeiten mit der Sphinx. :lol:

LG
Christine
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An dieser Stelle einen ganz herzlichen Dank an all die User, die meinen Bildern
Beachtung, Aufmerksamkeit und Kommentare schenken.
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--- Alle hier von mir gezeigten Bilder dürfen ungefragt für die Artengalerie verwendet werden. ---
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Wollkissenverwitterung

Beitragvon ULiULi » 3. Sep 2019, 12:20

Hallo Frank,

jetzt schreibe ich auch öffentlich was dazu ;)

Erdgeschichtliche Dimensionen zu fassen fällt mir echt schwer. Dazu ist so ein Menschenlebenchen doch etwas kurz.
"Wollkissenverwitterung" kannte ich auch noch nicht. Unsere Kissen sehen dem auch irgendwie (zum Glück) nicht sooo ähnlich.
Aber egal, Dein "Jabba" kam bei mir auch erst nach der Sphinx :pardon: Passt beides.

Gut dass Du die Telegrafenmasten mit ins Bild genommen hast, sonst hätte ich die räumlichen Dimensionen sicher auch noch unterschätzt. Mit Deinem Füllhorn an Informationen, welches Du ausgeschüttet hast, wirkt das Motiv auf mich gleich viel beeindruckender und respekteinflößender :DH:

LG / ULi
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Wollkissenverwitterung

Beitragvon Hans.h » 3. Sep 2019, 15:24

Hallo Frank,

Gerade die geologischen Zeiträume zeigen die Grenzen menschlichen Schaffens auf.
Diese Formation wird noch da sein, wenn es die Menschheit schon gar nicht mehr gibt.
Aller technischer Firlefanz des Menschen ist doch nichts anderes als das leichte Wellenkräuseln eines Wasserspringers,
gegen die Bugwellen von Ozeandampfern... :wink:
Sehr interessant, mit tollen Infos...aber auch schön anzusehen in dem warmen Licht.

Hans. :)
Zuletzt geändert von Hans.h am 4. Sep 2019, 07:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Wollkissenverwitterung

Beitragvon Fietsche » 4. Sep 2019, 10:41

Hallo Frank,

eine interessante Geschichte unserer Erde, auch ich habe etwas dazu gelernt

und klein ist dieser Brocken ja auch nicht gerade mal gewesen.
LG. Fietsche :shock:

http://www.fietsche.fi
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Wollkissenverwitterung

Beitragvon Gabi Buschmann » 4. Sep 2019, 13:24

Hallo, Frank,

vielen Dank für diesen sehr lehrreichen Beitrag, den du
zu deinem interessanten Foto geschrieben hast.
Klasse, dass du die Masten mit ins Bild genommen hast,
so wird erst deutlich, wie mächtig dieses Gebilde ist,
das sich über die Wollkissenverwitterung so ausgebildet
hat, wie es jetzt zu sehen ist. Beeindruckend das Alter!
Liebe Grüße Gabi
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Wollkissenverwitterung

Beitragvon Corela » 4. Sep 2019, 16:14

Hallo Frank,

was es alles gibt, wieder etwas gelernt.
Geschichte ist doch ein interessantes Fach.
Ohne diese Masten käme es nicht so richtig zum Ausdruck,
wie riesig dieses Kissen ist.
Klasse festgehalten.
lG
Conny


- hinfallen - aufstehen - Krönchen richten - weitergehen -

„Die Abende im Garten sind so schön, daß ich mich nicht entschließen konnte, mich an den Schreibtisch zu setzen“ – Max Liebermann, 1911.
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Wollsackverwitterung

Beitragvon fossilhunter » 4. Sep 2019, 18:53

Hi Frank,

irgendwie hab ich es geschafft, dass mein Posting vor ca. 2 Stunden scheinbar nicht geklappt hat. Also neuer Versuch !

Da sieht man wieder, dass es scheinbar doch nicht zielführend ist in jedem interessanten Hügel in Marokko nach Fossilien zu suchen. Da präkambrisch - könnte es mit Fossilien doch ein wenig schwierig werden.

Du hast die interessante Formation aber gekonnt ins Bild gesetzt !
Bezüglich derartiger Motive scheint Marokko schon einges zu bieten und du verstehst es auch diese ansprechend abzulichten .... betreffend Landschaftsfotografie habe ich noch nicht so wirklich viel Erfahrung !

lg

Karl
lg Karl

Ich erteile dem Makro-Forum die Generalerlaubnis, meine im Forum geposteten Bilder - mit Info an mich und Vetorecht meinerseits - zu duplizieren und in der AG einzubauen.

Mehr Infos zu Naturschutz und Makrofotografie in der Steiermark siehe : naturschutz.kaphi.at
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Wollsackverwitterung

Beitragvon piper » 4. Sep 2019, 19:49

Hallo Frank,


wenn man diese Zeilen so liest und über die Erdgeschichte
nachdenkt, dann wird man demütig. Der Mensch ist ein Fliegenschiss
im Leben der Erde....
Danke für deinen interessanten Text und das schöne Bild.
Liebe Grüße Ute

Die Freude am Kleinen ist die schwierigste Freude, denn es gehört ein großes Herz dazu.
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Wollsackverwitterung

Beitragvon mosofreund » 4. Sep 2019, 19:55

Moin Frank,

danke für diese interessante und lehrreiche Geologiestunde. :)
Beeindruckend, auch im Größenvergleich zu den Masten, in dieser kargen Landschaft.

Ein besonderes und dazu schönes Landschaftsbild.

lg
Wolfgang
Sei gebogen, und du wirst gerade bleiben.
Sei leer, und du wirst voll bleiben.
Sei abgenutzt, und du wirst neu bleiben.

Lao-tse

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