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Die Flucht nach oben

Verfasst: 11. Sep 2015, 17:32
von Ajott
Hallo Leute,

wow, ich bin überwältigt von eurer Ressonanz zu meinem Schneckenbild! Vielen Dank dafür (auch für
die Kritik! Die Sensorflecken habe ich jetzt auch gefunden an einem anderen Monitor ;-)).

Mit dieser Minidoku/Making-Off möchte ich mich gerne dafür revanchieren.

Wie so oft in diesem Jahr war das Wetter an jenem Tag eigentlich nicht für Makrofotos gemacht -
bewölkt und vor allem sehr windig. Also ging ich in den Wald zu einer mehrere tausend Individuen
umfassenden Kormorankolonie in meiner Nähe. Nachdem ich mich an den auffallend nach Pinguingehege im
Zoo riechenden und lärmenden Tieren sattgesehen hatte stroff ich noch ein wenig zwischen den Bäumen
umher als mich diese winzigen Bernsteinchen so auffällig anleuchteten, dass man sie gar nicht
übersehen konnte.
An der Rinde dieses Baumes mussten zu diesem Zeitpunkt dutzende, vielleicht an die hundert frisch
geschlüpfte Jungschnecken den Weg ans Licht suchen, alle irgendwo zwischen Bodengrund und 1,50
Metern Höhe. Ich war hier offensichtlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort und erlebte gerade mit,
wie die Tiere direkt nach dem Schlupf aus ihrer unterirdischen Bruthöhle - wo sie so lange
verbleiben, bis alle Eireste und toten Geschwisterchen verzehrt worden sind - die Flucht nach oben
antraten. Nachdem sich die Tiere durch das Erdreich an die Luft gefressen haben kennen sie nur ein
Ziel: weg vom Boden! Dort lauern allerlei Beutegreifer wie Käfer und deren Larven oder Ameisen, für
die die Winzlinge mit ihrer noch weichen Schale leichte Beute sind. Daher kriechen sie so schnell
wie möglich an Pflänzchen oder wie hier auch an Bäumen hinauf in sicherere Zonen. Dort beginnen sie
sofort zu fressen und noch vor dem Winter ordentlich zuzulegen.

Ich weiß leider nicht, um welche Art es sich handelt... in dem Stadium sehen sie doch alle gleich
aus :-)

liebe Grüße
Aj

Verfasst: 11. Sep 2015, 18:45
von ULiULi
Hallo Anja,

genau sowas habe ich mir bei Deinem Galeriebild als Möglichkeit vorgestellt.
Diese Dokufotos sind eine prima Ergänzung dazu. Auch die Infos aus dem
Schneckenkinderleben habe ich mit Interesse gelesen. Danke dafür.

LG / ULi

Verfasst: 11. Sep 2015, 19:03
von Otto K.
Hallo Anja,

danke für die Erklärung und die zwei Doku-Bilder. So etwas habe ich leider noch nie
gesehen. Das erste Bild sieht schon witzig aus wie die kleine Karawane da denn Stamm hoch
kriecht, das zweite gibt einen sehr guten Überblick über die hektische Betriebsamkeit am
gesamten Stamm.
Frage mich nur wie die kleinen Schnecken wohl auf die Idee kommen dass sie den Vöglen
weiter oben nicht so gut schmecken? :whistle:

Verfasst: 11. Sep 2015, 19:15
von Gabi Buschmann
Hallo, Anja,

das ist eine tolle Geschichte und Beobachtung, die du mit deinen
Bildern sehr schön dokumentierst. Sehr interessant und schön
anzusehen. Vielen Dank!

Verfasst: 11. Sep 2015, 21:54
von wolfdegen
Hallo Anja,

Danke für diese sehr interessante Doku. Eine wertvolle Ergänzung zu Deinem
Galeriebild.
Du hast diesen Vorgang sehr gut dokumentiert und sehr interessante Einzelheiten
erklärt.
Wieder was dazu gelernt!

Verfasst: 12. Sep 2015, 09:49
von piper
Hallo Anja,

schön, dass Du Dein Bild in der Galerie mit der Doku ergänzt.
Jetzt kann man erst einmal die Relationen erkennen.
Die sind ja winzig!!

Verfasst: 12. Sep 2015, 12:00
von Goldauge
Hi, Ajott,

das erste Foto ist einfach zu köstlich! mußte gerade sehr grinsen :)

ich habe auch schon mal Fotos von Schnecken gemacht, die einen Baumstamm bevölkern (was ich auch lustig fand und so noch
nicht kannte) - allerdings größere;
wenn ich mich recht entsinne, waren es sogar Weinbergschnecken....
Schnirkelschnecken sitzen ja dagegen oft auf Bäumen..

Verfasst: 12. Sep 2015, 13:06
von makrolino
Hallo Anja,

eine wahrlich "goldige" Dokumentation!! Vielen Dank für die interessanten Erklärungen sowie die tollen
Bilder.

Ich selbst habe das in diesem Jahr in ähnlicher Weise erlebt. Die Bedingungen waren auch ziemlich gleich, nur es hatte
vorher reichlich geregnet. Was für mich ebenfalls erstaunlich war, dass sich die Jungschnecken wie an einer
"Perlenschnur" vorwärts bewegten - so, wie auf deinem ersten Foto auch. Ich hab´ mich damals schon gefragt,
ob das "normal" ist und weshalb sie das wohl tun. Hat von euch jemand eine Erklärung für dieses Verhalten?

Liebe Grüße,
Inka

Verfasst: 12. Sep 2015, 16:43
von Ajott
Hi Inka,

wie man anhand des Übersichtsbildes sieht, ist es in meinem Fall gar nicht so perlenschnurartig
gewesen. Das ich da mehrere in Reihe ablichten konnte war einfach nur Zufall.

Aber für deine Beobachtung gibt schon wissenschaftliche Erkenntnisse: z.B.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2189573/

Für alle, die das Paper nicht lesen können oder wollen eine kurze Zusammenfassung der Infos:
Die Schleimproduktion ist extrem aufwendig und erfordert von den Schnecken mehr Energie als die
Muskelkontraktionen zur Fortbewegung. Der teuerste Teil der Bewegung ist daher die Absonderung des
Schleimfilms, auf dem die Tiere dahingleiten. Indem man den Schleimfilm anderer Schnecken nutzt kann
eine Schnecke daher deutlich Energie sparen - bei manchen Arten (vor allem marine Arten, die
besonders viel Schleim für sicheren Halt bemötigen) bis zu 70%!

liebe Grüße
Aj

Verfasst: 12. Sep 2015, 16:55
von fossilhunter
Hi Anja!

Das habe ich so noch nie gesehen und auch nicht gewusst, dass die Kleinen da teilweise die
"Flucht" nach oben antreten! Echt interessant und danke für die diesbezüliche
Aufklärung. Die Schneckenstraße sieht ja wirklich putig aus ...

lg

Karl