Der Steppensee im Mai

Interessante Beobachtungen aus dem Leben unserer Makromotive oder unserer Naturmotive mit dokumentarischem Charakter
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Jürgen Fischer
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Der Steppensee im Mai

Beitragvon Jürgen Fischer » 26. Nov 2021, 13:12

Hi liebe Makrogemeinde,
nachdem ich ja letztes Jahr "Steppensee" - Bilder aus den Monaten Juli, August und September gezeigt hatte,
war mir schnell klar, dass zu einer halbwegs vollständigen Info auch ein paar Bilder vom Frühjahr dazugehören.
Leider war diese Zeit heuer nicht so prickelnd bei uns, aber ein paar Arten aus dem Mai und dem Juni möchte ich trotzdem zeigen,
auch wenn die Artenvielfalt bei besserer Witterung sicher höher ausgefallen wäre.
Dennoch natürlich viel Freude beim Betrachten oder Kennenlernen einiger "Maifindlinge".
(Infos wie immer in den Bildanlagen)
(Demnächst dann noch eine Juni-Ausgabe!)

LG Jürgen
Dateianhänge
Bild 1 zeigt Attulus floricola, den "Sumpfhockling".
Diese kleine Springspinne ist typisch für feuchte Habitate, vor allem findet man sie an Gewässerufern.
Dort spinnt sie sich kleine Retraiten, wo sie manchmal zu mehreren leben. Im Bild ist ein adultes Weibchen zu sehen.
1 Attulus-floricola-w.jpg (676.68 KiB) 463 mal betrachtet
1 Attulus-floricola-w.jpg
Bild 2:
Die Männchen sind deutlich dunkler und kontrastreicher als die Weibchen, aber auch an den dicken Pedipalpen (Boxhandschuhe) kann man sie selbst als subadulte Individuen als Männchen erkennen.
Die Art ist in Bayern gefährdet.
2 Attulus-floricola--m subadult.jpg (733.66 KiB) 463 mal betrachtet
2 Attulus-floricola--m subadult.jpg
Bild 3:
Floricola überwintert subadult oder adult und ist damit eine der ersten Salticiden die man im Frühjahr findet.
Hier hat ein junges Weibchen eine altbekannte Beute gemacht.
Welches Insekt hier zum Opfer wurde, stelle ich gern als kleines Rätsel ein!
bei genauer Betrachtung erkennt ihr das sicher!
3 Attulus-floricola--7890a--Beute.jpg (556.66 KiB) 463 mal betrachtet
3 Attulus-floricola--7890a--Beute.jpg
Bild 4:
Die meisten Schnellkäfer sind grau, braun oder schwarz. Der Herbstfarbene Schnellkäfer Anostirus castaneus macht da eine attraktive Ausnahme. Zu sehen ist das Weibchen, das Männchen hätte stark gefiederte Fühler, ist aber nur relativ selten zu finden, da es kurzlebig ist.
4 Anostirus castaneus (Herbstfarbener Schnellkäfer).jpg (370.58 KiB) 463 mal betrachtet
4 Anostirus castaneus (Herbstfarbener Schnellkäfer).jpg
Bild 5. Fällt ein Schnellkäfer auf den Rücken, schnellt er durch ein ruckartiges Abknicken des Hinterleibs blitzschnell mehrere Zentimeter nach oben und kann sich so wieder drehen, oder aus der Gefahrenzone entkommen.
Mein Weibchen flog einfach davon, die Startphase konnte ich ansatzweise festhalten.
Das Männchen ist übrigens in unserer AG zu sehen.
5 Anostirus castaneus (Herbstfarbener Schnellkäfer) 2.jpg (325.1 KiB) 463 mal betrachtet
5 Anostirus castaneus (Herbstfarbener Schnellkäfer) 2.jpg
Bild 6:
Anthonomus phyllocola, der Kiefern-Knospenstecher ist nur knapp 3 mm lang und nur an Kiefern anzutreffen.
Er ernährt sich von den Nadeln, die Larven entwickeln sich in den Blütenständen der Kiefer. Der Käfer ist ungefährdet.
6 Anthonomus-phyllocola-Rüsselkäfer.jpg (562.79 KiB) 463 mal betrachtet
6 Anthonomus-phyllocola-Rüsselkäfer.jpg
Bild 7:
Die Bestimmung der gezeigten Bremse fällt mir schwer, es gibt einfach auch zu viele Arten der interessanten Tiere mit den hübschen Augen. Es könnte die Gattung Hybomitra sein, die Gattung Tabanus kommt wegen der gestreiften Augen wohl nicht in Frage.
Aber egal, was man gut sieht ist der voluminöse Stechrüssel, der dafür verantwortlich ist, dass der Stich einer Bremse im Gegensatz zum Stechmückestich so schmerzhaft ist.
7 Bremse-Hybomitra spec cf.jpg (741.5 KiB) 463 mal betrachtet
7 Bremse-Hybomitra spec cf.jpg
Bild 8:
Im Mai kann man im Gebiet auch die allseits bekannte Grüne Huschspinne finden. Während die Weibchen ja durch Einheitsgrün gut getarnt in der Vegetation sitzen, fallen die Männchen schon etwas schneller und leichter auf.
Dabei ist der gelbe Hinterleib mit dem roten Längsstreif schön anzuschauen und so gehören die Männchen der Art zu unseren attraktivsten Spinnen.
8 Micrommata-virescens 1.jpg (578.53 KiB) 463 mal betrachtet
8 Micrommata-virescens 1.jpg
Bild 9:
Während die Weibchen meist lauernd in der Vegetation sitzen, streifen die Männchen zur Nahrungsaufnahme gern durch die Halme. Hier ist allerdings das Tier auf Brautschau, denn es ist Paarungszeit.
9 Micrommata-virescens-web2.jpg (630.03 KiB) 463 mal betrachtet
9 Micrommata-virescens-web2.jpg
Bild 10:
Bei beiden Geschlechtern sind die acht Augen schön mit weißen Haaren eingerahmt, was einen attraktiven Kontrast erzeugt. Interessant ist bei der Spinne auch, dass sie der einzige Vertreter der Familie der Riesenkrabbenspinnen (Sparassidae) in Deutschland ist. Es sind zwar noch zwei weitere Vertreter im Anmarsch, aber soweit ich weiß noch nicht so recht etabliert.
10 Micrommata-virescens-web3.jpg (375.17 KiB) 463 mal betrachtet
10 Micrommata-virescens-web3.jpg
Bild 11:
Im Gebiet gibt es viele Raubfliegenarten. Die gezeigte hab ich mal als Kleinen Strauchdieb (Neoitamus socius) bestimmt, was allerdings aufgrund meiner mangelnden Kompetenz bei dieser Zweiflüglergruppe nicht als gesichert gelten kann. Die Art ist häufig in Deutschland und bereits ab April reif. Abgebildet ist ein Männchen.
11 Neoitamus socius cf Kleiner Strauchdieb Raubfliege-Asilinae-+-web.jpg (290.18 KiB) 463 mal betrachtet
11 Neoitamus socius cf Kleiner Strauchdieb Raubfliege-Asilinae-+-web.jpg
Bild 12:
Das Bild hab ich gemacht und zeige es, weil mir der blaue Kokon gut gefällt. Wolfspinnen tragen ihren Kokon ja an den Spinnwarzen und die Eibehälter sind bei der Gattung Pardosa sehr unterschiedlich gefärbt, von weiß bis schwarz ist vieles vertreten. Ich würde das Weibchen als Pardosa nigriceps, den Schwarzkopf-Laufwolf identifizieren. Diese frühe Art zeigt sich schon Ende April, Anfang Mai, was neben anderen Merkmalen auch passen würde. Pardosen, und vor allem deren Weibchen sind allgemein am Bild nur schlecht zu bestimmen.
12 Pardosa cf nigriceps Schwarzkopf Laufwolf RL 3 .jpg (692.78 KiB) 463 mal betrachtet
12 Pardosa cf nigriceps Schwarzkopf Laufwolf RL 3 .jpg
Bild 13 + 14:
Die ersten Libellen, die man im Frühjahr am Steppensee finden kann, sind die Winterlibellen, hier Sympecma fusca.
Der Grund ist klar, - es sind die einzigen Libellen bei uns, die adult überwintern und dann schon an den ersten warmen Tagen herumflattern. So ist dann auch dieses frühe Paarungsrad im Mai zu erklären.
Im Folgebild sieht man dann noch ein Portrait der Teichjungfer in ihrer schlichten Schönheit.
13 Sympecma-fusca-Lestidae 2.jpg (550.91 KiB) 463 mal betrachtet
13 Sympecma-fusca-Lestidae 2.jpg
Portrait
14 Sympecma-fusca-Lestidae 3.jpg (725.81 KiB) 463 mal betrachtet
14 Sympecma-fusca-Lestidae 3.jpg
Bild 15 + 16:
Wie bei den Winterlibellen, haben wir auch bei der abgebildeten Heuschrecke eine bemerkenswerte Ausnahme innerhalb der Artengruppe. Die Dornschrecken (Familie Tetrigidae) sind die einzigen heimischen Schrecken, die meist als adulte Tiere überwintern. Damit natürlich auch die ersten, die man bereits im zeitigen Frühjahr beobachten kann.
Auch die Paarung ist dann eben schon im Mai zu beobachten. Abgebildet ist hier die Gemeine Dornschrecke (Tetrix undulata), die man im adulten Zustand recht gut am Länge-Breite Verhältnis des Sprungbeinschenkels von anderen ähnlichen Arten unterscheiden kann. (Zumindest von den Gattungen, die einen gewölbten Halsschildmittelkiel haben).
15 Tetrix-undulata Tetrigidae .jpg (871.07 KiB) 463 mal betrachtet
15 Tetrix-undulata Tetrigidae .jpg
Paarung Tetrix undulata
16 Tetrix-undulata-Tetrigidae.jpg (687.56 KiB) 463 mal betrachtet
16 Tetrix-undulata-Tetrigidae.jpg
Bild 17:
Der Gewöhnliche Halmstrecker (Tibellus oblongatus) ist durch seine Färbung und Zeichnung vor allem auf trockenen Halmen super getarnt. Aber auch das Verhalten ist voll auf Tarnung ausgerichtet, da sich das Tier eng an die Halme anschmiegt und bei Gefahr blitzschnell auf die andere Seite des Halmes begibt. Die Art zählt zu den Philodromiden, den Laufspinnen. Sie bauen keine Fangnetze, sondern lauern der Beute auf.
17 Tibellus-oblongatus-Gewöhnlicher Halmstrecker Philodromidae.jpg (414.62 KiB) 463 mal betrachtet
17 Tibellus-oblongatus-Gewöhnlicher Halmstrecker Philodromidae.jpg
Bild 18:
zeige ich nur, um die Schwierigkeiten bei Bestimmungen darzustellen.
Bei der Aufnahme dachte ich als erstes an die häufige und oft fotografierte Waffenfliege Chloromyia formosa (wir haben sie auch in der AG). Aber bei genauem Hinschauen sieht man, dass da die Fühler (hartes Mekmal!) nicht passt. Bei der gezeigten Art sind die Fühler viel zu lang.
So tippe ich hier auf Odontomyia tigrina, würde aber nicht mein Haus darauf verwetten. (Leider gibt es für die Gruppe keine etablierten deutschen Namen!)
Dass es eine Waffenfliege ist, kann man gut an den zwei "Stacheln" am Hinterrand des Schildchens.
18 Waffenfliege Odontomyia tigrina cf male.jpg (652.98 KiB) 463 mal betrachtet
18 Waffenfliege  Odontomyia tigrina cf male.jpg
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Der Steppensee im Mai

Beitragvon klaus57 » 26. Nov 2021, 13:18

Hi Jürgen,
was für eine Serie an tollen Bildern hast du hier gemacht...einsame Spitze in jeder Hinsicht...da
muß man sich viel Zeit nehmen um alles gut zu verarbeiten...auch die Beschreibungen dazu...
immer wieder ein Genuß und ein großes Dankeschön für deine Arbeit!
Liebe Grüße, klaus :admin: :admin: :admin: :admin: :admin: :admin:
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Der Steppensee im Mai

Beitragvon Maring » 26. Nov 2021, 14:01

Hallo Jürgen
eine sehr interessante und sehenswerte Serie.
Auch die Begleittexte sind sehr aufschlussreich.
Viele Grüße

Ingrid
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Der Steppensee im Mai

Beitragvon bachprinz1 » 26. Nov 2021, 15:25

Hallo Jürgen, das ist eine ganz tille Serie. Die Qualität der Bilder top. Deine Texte dazu wie immer sehr informativ - ein Beitrag mit dem ich mich gerne länger beschäftigt habe. Danke für's zeigen.
immer gut Licht und wenig Wind ...

Dieter
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Der Steppensee im Mai

Beitragvon Ehab Edward » 26. Nov 2021, 15:38

Hallo Jürgen,

das ist eine ganz tolle Serie , mit tolle Qualität , Vielen Vielen Vielen Danke für's zeigen :admin:
Liebe Grüße
Ehab
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Der Steppensee im Mai

Beitragvon jo_ru » 26. Nov 2021, 17:44

Hallo Jürgen,

diese Mai-Doku setzt die Serie würdig fort.
Klasse. Danke dafür.

Beim Rätsel: Für den vorderen Teil des Opfers gehen manche meilenweit, und trotz des Filters bekommen sie dann ggf. Probleme im Hinterteil (naja, quasi) ... :-)..
Gruß Joachim

Alle meine Bilder stehen grundsätzlich für das Artenportal zur Verfügung - ein kurzer Hinweis genügt.
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Der Steppensee im Mai

Beitragvon Benjamin » 26. Nov 2021, 18:22

Servus Jürgen,

wieder eine sehr spannende und abwechslungsreiche Serie - da war für mich viel neues wissenswertes dabei.
Auf das Rätsel komm' ich aber ums Verrecken nicht. :oops:
Da bin ich auf die Auflösung gespannt.
Viele Grüße,
Benjamin
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Der Steppensee im Mai

Beitragvon HärLe » 26. Nov 2021, 19:03

Hallo Jürgen,
mit dieser Doku (und all Deinen anderen) spielst Du für mich in einer eigenen Liga des aktuellen Ökosystems im Forum.
Einfach fabelhaft. Rundum. Meine Anerkennung.

Mit seiner verklausulierten Andeutung könnte Joachim, was das Rätsel betrifft, auf dem richtigen Weg sein.

Gruß Herbert
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Der Steppensee im Mai

Beitragvon mischl » 26. Nov 2021, 19:29

Hallo Jürgen,

wieder eine faszinierende Doku mit fantstischen Bilder.
Hab ich mir sehr gerne und angeschaut und bin schon
ganz auf den Juni-Teil gespannt.
Wirklich ein tolles Gebiet

Lieben Gruß
Mischl
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Der Steppensee im Mai

Beitragvon harai » 26. Nov 2021, 19:39

Hallo Jürgen,

für die bescheidenden Verhältnissen in meinen Habitaten würde ich schon von Artenvielfalt sprechen. Noch vor drei Jahren
hatte ich viele meiner Aufnahmen im eigenen Garten machen können. Das war einmal. Mir gefällt Deine Serie sehr, da auch
die Aufnahmen technisch ansprechend fotogafiert sind. Danke auch für die Informationen zu den Bildern.
Liebe Grüße
Rainer

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