Heuschreckensandwespe - Sphex funerarius - Allgemeines, Nestbau und Beuteeintrag

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Jürgen Fischer
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Heuschreckensandwespe - Sphex funerarius - Allgemeines, Nestbau und Beuteeintrag

Beitragvon Jürgen Fischer » 25. Okt 2021, 21:41

Sphex funerarius wurde früher auch S. rufocinctus, davor auch als S. maxillosus benannt. Diese Namen sind aber aktuell nicht mehr gebräuchlich.
Früher war die südliche Art anscheinend nicht selten bei uns, in den 1960 er Jahre war sie dann allerdings verschwunden und wurde 30 Jahre lang als verschollen oder ausgestorben geführt.
Seit 1990 wurde sie dann wieder gefunden und verbreitet sich nun im Zuge der Klimaerwärmung bundesweit.
Und so kam ich heuer auch erstmals in den Genuß die wärmeliebende Grabwespe im kalten Fichtelgebirge beobachten zu können.


Alle Infos wie immer in den Bildanlagen.
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Bild 1 zeigt das Portrait eines Weibchens (rote Schienen) auf einer Blüte, ohnehin wird Sphex am häufigsten beim Blütenbesuch beobachtet, bei dem die Tiere Nektar und Pollen aufnehmen.
sonstiges:
01 Sphex funerarius 01.jpg (175.2 KiB) 1634 mal betrachtet
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In diesem Fall saß das Weibchen aber nicht zur Nahrungsaufnahme auf der Ampferblüte, sondern hatte sie als Schlafplatz ausgewählt. Das Bild entstand im Juni, also zur Paarungszeit und da verbringen die Weibchen die Nacht meist nicht direkt von den Männchen und alleine.
02 Sphex funerarius 02.jpg (449.6 KiB) 1634 mal betrachtet
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Die Männchen, - sie besitzen durchgängig schwarze Beine und sind deutlich kleiner und graziler als die Weibchen - dagegen versammeln sich in der Dämmerung zu Schlafgemeinschaften.
03 Sphex funerarius 03.jpg (638.18 KiB) 1634 mal betrachtet
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Diese Männer-Schlaflager finden sich meist an der Spitze grüner oder auch dürrer Pflanzen und die kleinsten Schlafsäle die ich finden konnte waren mit 5-6 Männchen besetzt.
04 Sphex funerarius 04.jpg (822.16 KiB) 1634 mal betrachtet
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Aber auch, wenn wie in diesem Bild das Schlafquartier überfüllt zu sein scheint, geht es doch sehr friedlich und ohne Reibereien bei den Herren der Schöpfung zu. Auf der abgebildeten Blüte suchten rund 20 Männchen die Nachtruhe.
die bisher gezeigten 5 Aufnahmen entstanden Ende Juni 2011 in einem kleinen Sandgebiet in Unterfranken.
Die folgenden Fotos, auch die in der Doku 2 wurden Ende Juli 2021 im Fichtelgebirge aufgenommen.
05 Sphex funerarius 05.jpg (1.2 MiB) 1634 mal betrachtet
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Da manchmal durchaus Verwechslungsgefahr besteht zwischen den drei Gattungen unserer größten "Sandwespen", hier eine kleine Bestimmunghilfe, um die Gattungen Sphex, Podalonia und Ammophila leicht unterscheiden zu können: Das erste und leicht erkennbares Unterscheidungsmerkmal ist die Länge des Petiolus, dem "Verbindungsstiel" zwischen Brust und Hinterleib (siehe roter Pfeil).
Bei Ammophila ist der Petiolus sehr lang, bei Podalonia kurz und bei Sphex sehr kurz. Im Vergleich wird das sicher deutlich.
Ein sehr sicheres Merkmal zur Trennung von Sphex und Podalonia ist die Flügeladerung. Betrachtet man die gelb markierten und mit A und B beschrifteten Flügeladern des rechten Vorderflügels, so sieht man, dass bei der Heuschreckensandwespe Sphex die Ader A in die rot beschriftete Zelle 2 mündet, die Ader B hingegen in die Zelle 3.
Bei Ammophila (Sandwespe im engeren Sinn) und Podalonia (Kurzstielsandwespe) münden sowohl Ader A und Ader B in die Zelle 2.
06 Sphex funerarius 06.jpg (875.43 KiB) 1634 mal betrachtet
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Die Sphex - Weibchen fangen nach der Begattung zügig mit dem Nestbau an. Hierfür suchen sie sonnenexponierte, schütter bewachsene und sehr heiße Flächen auf, in deren Umgebung ausreichend Blütenhabitate zu finden sind. Und obwohl die Art zu den solitären Wespen zählt, nisten sie gerne in Kolonien, sogenannten Nestaggregationen.
Im Bild hab ich auf ca 10 qm rund 20 Nester gezählt, manche sehr eng beieinander liegend. Die Löcher, an deren unterer Hälfte kleine Sandauswürfe zu sehen sind, sind gerade in Arbeit und frischer Sand wird ausgeworfen.
Es ist selbstverständlich, dass man als Fotograf nicht mittenrein in die Fläche latscht, sondern besser ist es die Randbereiche abzusuchen und nur in den dünner besiedelten Außenbereichen zu fotografieren.
07 Sphex funerarius 07.jpg (1.81 MiB) 1634 mal betrachtet
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Mit etwas Glück kann man dann auch ein Weibchen im Nestausgang beobachten. Hier ruhen die Tiere gerne zwischen den Beutezügen, oder wie in diesem Fall zwischen den einzelnen Phasen des Nestbaues. Der Nestgang führt immerhin ca. 15 cm tief in die Erde und verzweigt sich dann noch in bis zu 5 Kammern, in die dann jeweils eine Heuschrecke eingetragen wird.
08 Sphex funerarius 08.jpg (740.05 KiB) 1634 mal betrachtet
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Beim Nestbau transportiert das Weibchen lockere Erde und Sand in größeren Mengen nach draußen. Dies geschieht in einem irren Tempo, sodass Fotos nicht so einfach zu machen sind. Die Wespe rennt dabei vom Eingang weg immer wieder sehr schnell rückwärts nach hinten weg und scharrt dabei mit den Vorderbeinen den Sand unter ihren Körper. Den aufgewirbelten Sand kann man unter dem Körper leidlich gut erkennen.
09 Sphex funerarius 09.jpg (783.73 KiB) 1634 mal betrachtet
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Die Augen und die Fühler sind sozusagen das Kapital der Wespe und da diese beiden wichtigen Sinnesorgane bei den Grabtätigkeiten stark verschmutzen, nimmt sich das Tier immer wieder eine kurze Auszeit um blitzschnell mit den Vorderbeinen Augen und Fühler mit schnellen Streifbewegungen zu putzen. Ähnich machen es ja auch die Libellen, mit ihren "Putzbeinen".
10 Sphex funerarius 10.jpg (500.05 KiB) 1634 mal betrachtet
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Neben Sand und Erdkrümmeln muss die Wespe auch größere Partikel ausräumen. Diese Arbeit wird aber dann nicht mit den Beinen, sondern mit den kräftigen Mandibeln (Oberkiefer) erledigt. Der Aushub wird dann auch einige Zentimeter vom Nesteingang entfernt, abgelegt.
11 Sphex funerarius 11.jpg (624.46 KiB) 1634 mal betrachtet
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Auch größere Gegenstände, wie der störende Pflanzenfruchtkörper, werden schnellstens entfernt und so wird nach und nach der Nestbau zu Ende gebracht.


Mit dem Bild endet der erste Teil der Doku, der zweite befasst sich dann mehr mit dem Beuteeintrag (Langfühlerschrecken). Der folgt dann in Kürze.
12 Sphex funerarius 12.jpg (692.03 KiB) 1634 mal betrachtet
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Zuletzt geändert von Werner Buschmann am 30. Okt 2021, 13:25, insgesamt 2-mal geändert.
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Die Heuschreckensandwespe - Sphex funerarius - Beutefang

Beitragvon Jürgen Fischer » 27. Okt 2021, 13:10

Hier nun der 2. teil der Doku, der sich mit dem Beuteintrag beschäftigt.
Die Bilder wurden am gleichen Tag und der gleichen Lokalität im Fichtelgebirge
gemacht, wie die Bilder im ersten Teil, die sich mit dem Nestbau befassen.
Daten: 100er Makro + 1,4 konverter, Canon RP, Softbox, Voll besonnt.
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Die Mundwerkzeuge, vor allem die Oberkiefer (Mandibeln), sind, wie wir im ersten Dokuteil sehen konnten, hervorragend geeignet die Bauarbeiten (Steinchen und andere Hindernisse wegschleppen) zu erledigen.
Daneben sind sie aber natürlich die Grundwerkzeuge für den "Beuteeintrag".
Zur Versorgung ihrer Larven muss die Heuschreckensandwespe ja Heuschrecken erbeuten und zum Nest transportieren. Dazu muss die Wespe den harten Panzer entweder durchdringen oder zumindest wie mit einem Schraubstock umfassen können. Die Spitze der Mandibeln sind daher durch viel eingelagertes Chitin schwarz gefärbt, ein Zeichen für eine starke Aushärtung dieser wichtigen Werkzeuge.
Und wer die Schlepparbeit von Gegenständen beim Nestbau schon bewundert, der wird über den Transport großer Laubheuschrecken noch mehr staunen.
01 Sphex-funerarius-Teil 2 01.jpg (698.4 KiB) 1608 mal betrachtet
01 Sphex-funerarius-Teil 2 01.jpg
Sphex jagt verschiedene Langfühlerschrecken, dabei spielt das regionale und zeitlich verfügbare Angebot wohl die entscheidende Rolle. Hat das Weibchen eine passende Schrecke erwischt, paralysiert sie den Hüpfer durch Stiche mit dem Wehrstachel, vorwiegend in die Gelenkhäute der Beine aber auch des Rumpfes. Danach umkreist sie die Schrecke mehrfach, betastet sie mit Beinen und Fühlern, geht auch immer wieder auf Abstand und stellt so wahrscheinlich sicher, dass das "Beutetier" tatsächlich gelähmt ist. In dem von mir beobachteten Vorgang hatte die Wespe ein Weibchen der Roesels Beissschrecke in der Mangel.
02 Sphex-funerarius-Teil 2 02.jpg (240.61 KiB) 1608 mal betrachtet
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Der eigentliche Transport beginnt damit, dass die Schrecke mittels Mandibeln an den Fühlern gepackt wird. Gleichzeitig umklammern die Vorderbeine der Wespe den Brustbereich der Schrecke, die beiden hinteren Beinpaare nutzt Sphex um trotz "Bauchbeutelballast" noch vernünftig laufen zu können. Dabei zeigt der Kopf der Schrecke immer nach vorne.
03 Sphex-funerarius-Teil 2 03.jpg (480.79 KiB) 1608 mal betrachtet
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Im Bild sieht man den Moment des Abfluges mitsamt der Beute. Den größten Teil der Strecke zum Nest bewerkstelligt das Wespenweibchen nämlich im Flug. Leider schwebt der Doppeldecker nicht so schön langsam daher wie z.B. der Bienenwolf, und deshalb hab ich es auch nicht geschafft, trotz einiger weniger Versuche, den geradlinigen Flug der Wespe auch nur annähernd brauchbar im Foto festzuhalten. - vielleicht im nächsten Jahr-
Landet die Wespe mit Beute noch nicht nah genug an der vorbereiteten Nesthöhle, versucht sie den Rest des Weges im Sprungflug oder laufend hinter sich zu bringen.
04 Sphex-funerarius-Teil 2 04.jpg (726.64 KiB) 1608 mal betrachtet
04 Sphex-funerarius-Teil 2 04.jpg
(Collagenbild A):
Hat sie dann das (offengebliebene) Nest erreicht, legt die Wespe die Schrecke wenige Zentimeter vor dem Eingang mit dem Kopf in Richtung Nest ab.
(Collagenbild B):
Sofort huscht sie in großem Tempo in den Eingang und lässt die Schrecke vor der Öffnung liegen.
(Collagenbild C):
In der Höhle dreht sie sich sofort um, kommt mit dem Vorderkörper aus der Höhle raus, um die Schrecke mit den Mandibeln in die Öffnung zu zerren.
(Collagenbild D):
Die gelähmte Schrecke verschwindet nun auf Nimmerwiedersehen in der Höhlung und wird in eine der Brutkammern verschleppt. Ein Teil der Arbeit der werdenden Wespenmutter ist damit erledigt.
05 Sphex-funerarius-Teil 2 05.jpg (736.71 KiB) 1608 mal betrachtet
05 Sphex-funerarius-Teil 2 05.jpg
In diesem Bild konnte ich nochmal ein Weibchen beobachten, das gerade ein Weibchen der Gewöhnlichen Strauchschrecke (Pholidoptera griseoaptera) herbeiträgt. Allerdings war sie etwas träge unterwegs und legte auch einige kleinere Pausen ein.
06 Sphex-funerarius-Teil 2 06.jpg (813.32 KiB) 1608 mal betrachtet
06 Sphex-funerarius-Teil 2 06.jpg
Der zögerliche Transport der Schrecke hatte negative Folgen. Denn im Nestbereich sind die Weibchen echte Konkurrentinnen und machen sich oft die gegrabene Höhle streitig. Dass sie sich aber auch gegenseitig die mühsam erarbeitete Beute missgönnen, war mir nicht bekannt, ich hatte das bisher auch noch nirgendwo gelesen. Insofern war ich auch leicht überrascht, weil die Tiere ja doch in der Nestkolonie oft eng aufeinander sitzen.
Und so seht ihr in den Bildern 7,8 und 9, den wohl selten gezeigten Vorgang, dass ein Weibchen versuchte, einer erfolgreichen Artgenossin die Schrecke abzujagen. Sie versuchte es immer wieder entweder im schnellen Lauf oder im Sprungflug. Diese Hetzjagd ging über 1-2 Meter und die Geschwindigkeit mit der beide Wespen Haken schlugen, war so hoch, dass mir auch hier nur wenige zeigbare Bilder gelangen.
07 Sphex-funerarius-Teil 2 07.jpg (305.95 KiB) 1608 mal betrachtet
07 Sphex-funerarius-Teil 2 07.jpg
wie Bild 7
08 Sphex-funerarius-Teil 2 08.jpg (285.72 KiB) 1608 mal betrachtet
08 Sphex-funerarius-Teil 2 08.jpg
wie Bild 7
09 Sphex-funerarius-Teil 2 09.jpg (849.04 KiB) 1608 mal betrachtet
09 Sphex-funerarius-Teil 2 09.jpg
Den Vogel schossen dann die vier Damen ab, die sich regelrecht um die Strauchschrecke balgten und sich wie eine eiernde Kugel am Boden wälzten.
Im Zentrum die bedauernswerte Schrecke, die das aber wahrscheinlich gar nicht mitbekam.
10 Sphex-funerarius-Teil 2 10.jpg (270.97 KiB) 1608 mal betrachtet
10 Sphex-funerarius-Teil 2 10.jpg
Zuletzt geändert von Gabi Buschmann am 29. Okt 2021, 12:58, insgesamt 1-mal geändert.
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